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Ausflüge • Wandern

Valle delle Cartiere: Wanderung durchs Toscolano-Tal – und eine faszinierende Vergangenheit

4 min. Lesedauer

Viele Gardasee-Fans halten das südwestliche Ufer des Sees für den schönsten und lebendigsten Teil der Gardasee-Landschaft. Das mag Geschmacksache sein, denn Schönheit (und Interessantheit) liegt im Auge des Betrachters, wie gesagt wird. Doch die Begeisterung für den Südwesten ist verständlich. Hier sind Städtchen mit reicher Historie zu finden, wie Salò, interessante Weingegenden um Moniga del Garda, und die letzten Zitronenhaine wie die Limonaia in Gargnano. Oder auch die Parklandschaften in Gardone Riviera, allen voran die Parkanlage des Vittoriale degli Italiani, das frühere Anwesen des Schriftstellers und Nationalhelden Gabriele D´Annunzio. Historisch ist auch das Papiermühlental hoch interessant. Nicht weit von Gardone Riviera schiebt sich bei Toscolano Maderno ein enges Tal zwischen die steilen, grünen Berge des Naturparks Alto Garda Bresciano, das eine ganz besondere Vergangenheit hat. In diesem engen Tal wurde früher in bis zu 40 kleinen Fabriken Papier produziert. Das Wasser für die Herstellung dazu lieferte der Bach Toscolano, der auch dem Ort seine Namen gab. Von den vielen Papierfabriken sind meist nur noch Ruinen übrig, pittoreske Artefakte am Wegesrand.

Museo della Carta: die Reise in eine faszinierende Vergangenheit

Dreisprachige Infotafeln und das Museo della Carta – das Papiermuseum ein paar hundert Meter im Tal – erzählen die Geschichte der Papierproduktion in diesem Valle, die schon um 1380 schon zum ersten Mal dokumentiert wurde und die 1962 endgültig zu Ende war. Die Landschaft hier ist schön, im Hintergrund ragt steil der Monte Pizzocolo hoch, mit seinen 1581 Metern der höchste Berg im Südwesten des Gardasees. Vom Zentrum von Toscolano Maderno aus ist der Weg, zunächst ein Sträßchen, ins Valle delle Cartiere gut ausgeschildert. Nach drei in den Fels geschlagenen Tunnels folgt ein Parkplatz, hier beginnt der eigentliche Weg. Ein paar hundert Meter weiter informiert das Papiermuseum, in einer alten Fabrik eingerichtet, mit Videos, Schautafeln und Fotos über die früher mühsame Herstellung des Papiers in diesem doch etwas abgelegenen Tal, in Lärm und Hitze und bestimmt auch Gestank: Denn das Büttenpapier in hoher Qualität entstand aus Lumpen, die zerschnitten und in großen Bottichen nach einer Mazeration, eine Art Gärung, gewässert wurden. Mit einer Reihe von großen Holzhämmern, die der Bach antrieb, wurden die so aufgelösten Lumpen zu einem feinen Brei zerschlagen – das Rohmaterial für feinste Papiere, die nach dem Pressen und Trocknen der Bögen entstanden. 

Schon im Mittelalter begehrt: Büttenpapier aus Toscolano

Früher wurden die Maschinen direkt mit Wasserrädern angetrieben, dann mit Motoren, die notwendige elektrische Energie lieferte ebenfalls der Bach. Der Toscolano muss früher ein gewaltiger und reißender Gebirgsbach gewesen sein, bis ein Stausee in den Bergen ihn sehr zähmte. Die Wanderung geht an vielen Ruinen von Gebäuden vorbei, die sich die Natur immer mehr zurückholt. Der Weg steigt sanft im engen Tal an, immer entlang des Baches. Vorbei an der schönen früheren Unternehmer-Villa Maffizzoli, an der aber auch der Zahn der Zeit nagte. Es folgen die Ruinen weiterer Fabrikgebäude, die hier dicht an dicht standen. Die Gewölbe und Rundbögen der Fabrikfundamente sind oft aus Feldsteinen in allen Größen gemauert, die Ruinen wirken nicht selten wie Überreste aus antiken Zeiten. Wilde Wiesen und Blumen wachsen nun in den ehemaligen zerfallenden Fabrikationsgebäuden, ein sehr schöner, aber oft auch melancholisch stimmender Anblick. Der Weg endet an einem kleinen grünen See, den der Bach bildet. Wer es bei einer gemütlichen Wanderung belassen will, tritt einfach den Rückweg durchs Tal an. Ausgeschildert ist aber auch ein Rundweg, der steil zum Örtchen Gaino führt. Ein stilles, typisch italienisches Dorf auf seinem Hügel, inmitten vieler Olivenbäume. Der Weg von dort zurück ins Tal zeigt ab und zu spektakuläre Blicke über den Gardasee mit Toscolano-Madero an seinem Ufer.  

Ende einer großen handwerklichen Tradition: Das Tal der Fabrik-Ruinen

Es ist schwer vorstellbar, dass in diesem engen Tal schon im 14. Jahrhundert handwerkliche Betriebe Büttenpapier herstellten, das durch seine Qualität weit bekannt war. Bis in den Orient wurden die Papierbögen gehandelt, heute noch leicht erkennbar an ihren charakteristischen Wasserzeichen. Ein starker Einbruch in der Papierproduktion im 17. Jahrhundert hatte eine Pestepidemie zur Folge, der die Hälfte der Einwohner von Toscolano und Maderno zum Opfer fiel. Die Industrialisierung der Papierproduktion führte dann zum Ende der Papierherstellung im Valle della Cartiere – die handwerklich ausgerichteten Fabriken konnten mit modernen Fabrikationsmethoden nicht mithalten.

Die kleine Wanderung ins Tal des gezähmten Toscolano ist sehr hübsch, in einer typischen Landschaft am Brescia-Ufer des Gardasees. Mit dem geschichtlichen Hintergrund, den das didaktisch gut gestaltete Museo della Carta, das Papiermuseum in einer alten Fabrik, in lockerer Form vermittelt, wird dieser Spaziergang dann als Reise zurück zu den Anfängen der Büttenfabrikation in diesem versteckten Tal noch eindrucksvoller.